Donnerstag, 20. August 2015

Elisabeth gewährt Einblick




18. August 2015
Liebe Freunde.
Von Herzen möchte ich Euch für alle Anteilnahme an dem Tod unserer  Mutter danken, und das auch im Namen meines Vaters und meiner beiden Schwestern Andrea Mitzlaff und Christine Konrad.  Danke für alle tröstenden Worte, für alle Anrufe und Teilnahme an der Beerdigung.  Der Abschied war nicht einfach, aber wir sind  dankbar, daß Mama jetzt von ihrem Leiden erlöst ist und bei Jesus ist, an den sie immer geglaubt hat. Sie hatte sich vor zehn Monaten den Oberschenkelhals gebrochen und war seitdem bettlägerig gewesen,weil nicht mehr operiert werden konnte.
Nach der Beerdigung konnte ich noch gute Tage bei Papa in Wierstorf verbringen. Wir hatten Besuch und waren selber auch Verwandte besuchen. Ansonsten konnte ich bei dem schönen Wetter jeden Tag etliche Runden im Schwimmbad drehen und die alten Wege um Wierstorf mit dem Fahrrad fahren.
Der Abschied von Papa war nicht einfach. Für fast 85 Jahre ist er noch rüstig und ohne größere Beschwerden, aber jeder Abschied kann doch der Letzte sein. Und ihn alleine zurück zu lassen, mit Tränen in den Augen, das war der Moment vor dem ich mich eigentlich schon bei der Ankunft fürchtete. Ich wünsche mir sehr, daß Papa uns über Winter nochmal einige Zeit besuchen kann, er lebt ja alleine auf unserem Hof in Wierstorf. Aber er hat Angst vor der Hitze, der Malaria und generell der Umstellung zwischen den beiden Welten, der Unterschied ist wirklich groß.
Je älter ich werde, desto schwerer fällt es auch mir, sowohl von U nach D, als auch dann zurück zu kommen. Man fühlt sich so verloren und fremd in der Welt, weiß für etliche Tage nicht wer man wirklich ist und wie man da jetzt ins Gefüge paßt. Aber es hilft mir auch, mich der verschiedenen Rollen und Mindsets bewußt zu werden, in denen ich hier und da lebe. Und es hilft mir, ein paar Tage eher zurückgezogen zu leben, besonders wenn ich wieder zurück in Uganda bin. So oft bin ich hier in einer  dominaten Rolle, wo Entscheidungen und Hilfen von vielen Seiten erwartet werden.  Aber wenn ich irgendwann mal nicht mehr da wäre, müßte das Leben und alle Räder hier ja auch weiterlaufen – ohne mich. Es wird einem als „Muzungu“ in Uganda oft zu leicht gemacht, die Führerrolle zu übernehmen. Und vielleicht genießen wir Weißen diese Rolle auch, sie läßt uns wichtig fühlen. Hier kann man als Einzelner oft viel mehr bewegen  als Zuhause, so scheint es wenigstens. Aber wenn man nicht aufpaßt, befindet man sich irgendwann allein an der Spitze mit immer mehr Lasten, immer mehr Anfragen und Erwartungen und kann nicht mehr.
Ich bin dankbar für meinen abslout nicht dominaten, nicht immer vorwärts preschenden Mann, der kein Helfersyndrom kennt und bei mir oft die Bremse zieht. Man kann wirklich nicht die ganze Welt retten und bei  jedem Problem hinhören. Erasmus hat eine sehr relaxte Art, sowohl Zuhause, als auch bei der Arbeit, in der Kirche und in der Freizeit. Unsere Kinder lieben ihn und grad jetzt im Teenageralter öffnen sie ihm ihre Herzen manchmal mehr als mir. Erasmus ist people-oriented, ich bin eindeutig task-oriented. Wenn ich nach Hause komme, kann ich nicht im unaufgeräumten Wohnzimmer die Beine hochlegen. Es ist als ob mein Gehirn ständig rattern muß, voraus plant, Arbeitslisten macht und kontrollieren will. Das war jetzt diese letzte Woche nach Deutschland so schön, das Ruder hatten die anderen in der Hand – und haben es zum großen Teil noch. Ich danke Gott, daß ich lerne, es nicht gleich wieder an mich zu reißen. Und wenn der Hühnerstall einige Wochen mal nicht ausgemistet ist... was solls? Die Hühner leben jedenfalls alle noch.  Und wenn jetzt drei Freundinnen zusätzlich im Mädchenzimmer schlafen (es sind Ferien) und es echt laut und nicht allzu ordentlich im Haus zugeht...was solls? Auch wenn es mich in den Fingern juckt, Dienstpläne aufzustellen und alle möglichen rules and regulations, ich halte mich zurück und tue einen auf reisemüde und etwas alternde Mutter (in Uganda  gehöre  ich mit 51 wirklich schon zu den Älteren). Und der Haushalt funktioniert, nicht immer so wie es meinen Vorstellungen entspricht, aber es läuft. Manchmal wird die Wäsche erst abends gewaschen, um Mitternacht aufgewischt und unsere Kukhu (Erasmus Mutter) muß an ihr warmes Badewasser erinnern, aber was solls? Manchmal wird die Wäsche bei Regen auf der Leine vergessen, der Reis brennt an, die Soße hat seltsame Zusammensetzungen, die Ziege und Ferkel schlafen  im Hühnerstall,  die Zimmer finde ich abends ummöbliert.. aber was solls? Alle sind fröhlich, viel fröhlicher als wenn die Mutter ständig ermahnen und schimpfen würde. Und auch viel motivierter. Und auch mir geht es viel besser mit dieser entspannten Einstellung. Hoffentlich kann ich sie auch für die Zukunft etwas  beibehalten.
Zurück zu Papa: meine Schwester plant im Oktober  zu Besuch zu kommen und ich würde mich so sehr  freuen, wenn sie dann Papa mitbringen könnte.  Mal sehen.  Wie gut, daß man alle Wünsche und Pläne dann doch bei Gott lassen kann und ihn bitten es so zu führen, wie es dann richtig ist. Wie gut, das auch mit allen anderen Bürden, Sorgen, Arbeit und Plänen machen zu können.
Ich bin meinen Schwestern sehr dankbar, besonders Andrea, die sich die letzten Jahre  um Mama gekümmert hatte. Und ich bin den guten Nachbarn in Wierstorf dankbar, die jeden Tag bei Papa vorbeisehen und den Kirchenmitgliedern in Hankensbüttel... Diese Dankbarkeit mischt sich immer mal wieder mit dem schlechten Gewissen, soweit weg zu sein und außer Gebeten und Anrufen so gar nichts tun zu können.
So, das habe ich jetzt einfach mal geschrieben, wie es mir in den Sinn kam.
Danke fürs Zuhören und Danke, daß es Euch alle gibt. May God bless you.
Liebe Grüße von Elisabeth

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